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»Sechs Prozent nicht zuviel«

Die IG Metall in NRW hat den Druck auf die Arbeitgeber erhöht und mit ganztägigen Warnstreiks gedroht. 26.930 Beschäftigte aus mehr als 160 Betrieben beteiligten sich gestern an Kundgebungen, darunter in Bielefeld und Paderborn.

Wie berichtet, fordert die Gewerkschaft in den Tarifverhandlungen für die Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie sechs Prozent mehr Lohn und eine Wahloption auf eine kürzere Arbeitszeit. Wer seine Angehörigen pflegen oder sich um seine Kinder kümmern wolle, müsse die Chance haben, nur 28 Stunden in der Woche zu arbeiten. Solchen Arbeitnehmern sollen die Arbeitgeber nach den Vorstellungen der IG Metall einen Lohnzuschuss zahlen. Die Gewerkschaft nennt das »kurze Vollzeit«. Die Arbeitgeber halten die Forderungen für unrealistisch und haben eine Einmalzahlung von 200 Euro für drei Monate und danach zwei Prozent mehr Lohn angeboten. Das Arbeitszeitkonzept der IG Metall bewerten sie als Verstoß gegen das Gebot der Gleichbehandlung der Belegschaft und als utopisch in Zeiten des Fachkräftemangels.

Bei einer Großkundgebung in Bielefeld wurde gestern die Firma Miele ausgepfiffen. 1800 Beschäftigte von etwa 30 Firmen aus Bielefeld und Herford pusteten in ihre Trillerpfeifen und forderten »Arbeitszeiten, die zum Leben passen«. Miele oder Claas seien Familienunternehmen, und als solche hätten sie »eine soziale Verantwortung« für ihre Mitarbeiter, sagte die Geschäftsführerin der Bielefelder IG Metall, Ute Herkströter. Nach drei ihrer Auffassung nach fruchtlosen Tarifverhandlungen rief sie den Arbeitgebern zu: »Ihr müsst euch endlich bewegen!«

Von den Arbeitgebern höre man in den Verhandlungen kein Wort über die Arbeitszeiten, beklagte sich der Verhandlungsführer der IG Metall NRW, Knut Giesler, in Bielefeld. Flexibel sollten offenbar immer nur die Angestellten sein. In den Augen der Arbeitgeber seien nur Männer und Frauen, die Vollzeit arbeiten und Sonderschichten einlegen, gute Arbeitnehmer. Die Zahl der Pflegebedürftigen steige in Deutschland Jahr für Jahr, schon jetzt würden 1,5 Millionen von Angehörigen zuhause betreut. »Es darf keine Frage des Geldes sein, ob ich Vater oder Mutter pflege – es ist eine Frage der sozialen Gerechtigkeit«, betonte Giesler.

Auch sechs Prozent mehr Lohn seien nicht zuviel verlangt. »Wer kein Geld hat, kann keinen Miele-Staubsauger kaufen«, sagte der Gewerkschafter. Die Tarifabschlüsse in der Vergangenheit hätten die Wirtschaft nicht zusammenbrechen lassen, sondern die Binnenkonjunktur gestärkt. Laut IG Metall sind in den vergangenen Wochen 117.000 Menschen in NRW auf die Straße gegangen. In Paderborn formierten sich gestern knapp 1000 zu zwei Demonstrationszügen.