Azubis auf dem Land stehen vor speziellen Herausforderungen
Ende Oktober schreckte der Ausbildungsreport des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) für NRW die Öffentlichkeit auf. 5033 Auszubildende haben sich zu den Bedingungen ihrer Lehre geäußert – zwar sind demnach zwei Drittel (68,7 Prozent) mit ihrer Ausbildung zufrieden, aber ein Drittel (10,7 Prozent) nicht.
Feride Ciftci, Jugendbildungsreferentin DGB-Jugend OWL, findet die Zahl beunruhigend, zumal sie sich im Vergleich zum Vorjahr (71,4 Prozent) leicht verschlechtert hat: „Wir schlagen noch keinen Alarm, weil wir die Entwicklung in 2019 abwarten wollen“, sagte die 28-Jährige bei einem Pressegespräch in Rheda-Wiedenbrück. Aber für die Region zeichneten sich durchaus spezifische Probleme ab. Der Fachkräftemangel im Land ist deshalb für sie „hausgemacht“.
Für den Kreis Gütersloh könne sie zwar keine Zahlen nennen, da die Bögen anonym seien. Gleichwohl „haben wir aus OWL eine sehr gute Rücklaufquote und liefern somit einen Großteil der Fragebögen“, betonte Feride Ciftci. Besondere Herausforderungen in der Region seien dem ländlichen Raum geschuldet. „Auszubildende müssen oft lange Fahrtwege zwischen Wohnort, Arbeitsstätte und Berufsschule zurücklegen. Doch nicht alle können sich ein Auto von ihrer Vergütung leisten“, erläuterte die DGB-Referentin. „Deshalb setzen wir uns für das landesweite Azubi-Ticket, vergleichbar dem für Studenten, ein.“ Vor Ort müsse sich der Verkehrsverbund Westfalentarif bewegen, denn die Preise für das Azubi-Monatsticket staffeln sich bis über 100 Euro, je nachdem wo man hinfährt. „Auch der Ausbau der Infrastruktur im Nahverkehr ist eine unserer Forderungen an die Landesregierung“, fasste sie zusammen.
Julia Molck, Jugendsekretärin der IG Metall Gütersloh-Oelde, hat laufend mit Auszubildenden zu tun, die „ihren Ausbildungsplan nicht kennen und in Firmen arbeiten, in denen er nicht umgesetzt wird“ – nur bei 34,8 Prozent wird der Ausbildungsplan immer eingehalten. „Mehr als 50 Prozent müssen Dinge machen, die nicht im Ausbildungsplan stehen“, ergänzte Ciftci. Alltag ist Molck zufolge auch, dass gerade in kleineren Firmen Ausbildungsvorschriften torpediert werden – sei es bei der Vergütung, der Arbeitszeit oder beim Ausbildungsplan. „Es sind vor allem große Unternehmen, die bei der Ausbildung gut organisiert sind.“ Je kleiner der Betrieb sei, so die 31-Jährige, desto weniger sei man organisiert.
Feride Ciftci, Jugendbildungsreferentin DGB-Jugend OWL, und Julia Molck, Jugendsekretärin bei der IG Metall Gütersloh-Oelde, formulieren folgende Forderungen zur Verbesserung der Ausbildungssituation und zur Steigerung der Zufriedenheit der Lehrlinge:
„Forderung einer Mindestausbildungsvergütung in Höhe von 80 Prozent des Durchschnittslohns ausgelernter Kräfte.“
„Die Arbeitszeiten müssen besser geregelt und die Betriebe diesbezüglich mehr kontrolliert werden.“ Es gebe Unternehmen, die interpretierten Arbeitszeiten in ihrem Sinne und rechneten den Besuch der Berufsschule nicht als Arbeitszeit an.
„Arbeitgeber sollen das Arbeitsmaterial für ihre Auszubildenden bezahlen.“ Beispielsweise komme es bei Friseuren vor, dass die Azubis Schere und Kamm selbst bezahlen müssten.
„Firmen sollen die Fahrtkosten ihrer Lehrlinge tragen.“
Die Übernahmeregelungen müssen besser geklärt werden: „Es muss im Berufsbildungsgesetz festgeschrieben werden, dass Azubis drei Monate vor Ausbildungsende erfahren, ob sie übernommen werden.“ (ate)