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Auch Draht Wolf baut Werk in Polen

Polen übt auf heimische Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe eine große Anziehungskraft aus. Die Löhne sind niedriger, die Energiekosten auch. Gerade erst hat Miele angekündigt, dort ein Werk zu errichten. Auch der Draht- und Stahlseilhersteller Gustav Wolf baut in der Nähe von Gleiwitz (Gliwice) einen neuen Standort auf.

Darüber informierte Firmenchef Dr. Ernst Wolf (Bild) die Belegschaft am Dienstag im Rahmen der turnusmäßigen Betriebsversammlung. Danach soll auf einer Fläche von vier Hektar ein Hallenkomplex mit 8000 Quadratmetern Nutzfläche entstehen. In einer ersten Phase sollen dort rund 30 000 Tonnen Federstahldraht und Reifendraht produziert werden. „Neben organischem Wachstum sind vor allen die Kosten Treiber für das Projekt“, teilte Ernst Wolf mit. Die Personalkosten lägen in Polen inklusive Sozialleistungen um den Faktor fünf niedriger als in Deutschland. Auch die Energiekosten seien geringer. In Deutschland müsse man mit weiteren Steigerungen rechnen, sagte Wolf der „Glocke“.

Große Kunden wie Continental und Goodyear hätten bereits die Produktion nach Osteuropa verlagert. „Jetzt zieht Gustav Wolf den Kunden hinterher“, so der Geschäftsführer. Ein weiterer Grund sei, dass ein südkoreanischer Wettbewerber nach Tschechien gegangen sei, sagte Ernst Wolf der „Glocke“. „Wir haben einen sehr harten Wettbewerb.“ Der werde auch über die Preise ausgefochten.

In zwei bis drei Jahren sollen im polnischen Werk laut Wolf etwa 30 Mitarbeiter beschäftigt sein, später einmal rund 60. Geplant sei außerdem eine enge Lieferbeziehung zum 2012 eröffneten Werk in Ungarn (Miskolc). Zu den Investitionskosten in Polen äußerte sich Ernst Wolf nicht.

Ein Teil der Draht-Produktion wird aus Gütersloh nach Polen verlagert. „Zu erwartende Personalanpassungen im Gütersloher Stahldrahtwerk werden über die normale Fluktuation erfolgen“, kündigte Wolf an. Der bestehende Sondertarifvertrag, der betriebsbedingte Kündigungen bis 2020 ausschließe, werde weiter Bestand haben. „Es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben“, so Wolf. Allerdings sei der Schritt nach Polen auch ein Signal, dass man am Stammsitz „im oberen Bereich der Lohnkosten“ rangiere.

Die Unternehmensgruppe habe nach wie vor ihre Zentrale in Gütersloh. Wieviel Produktion es am Stammsitz künftig noch geben wird, wollte der Geschäftsführende Gesellschafter auf Nachfrage nicht prognostizieren. Nur so viel: „Wir werden hier nicht weiter wachsen.“ Die neuen Maschinen für die Drahtherstellung würden in Polen aufgestellt. Nicht betroffen ist ist die Seilherstellung etwa für Aufzüge und Kräne.

In Gütersloh sind laut Wolf rund 200 Mitarbeiter beschäftigt. Zuletzt war 2012 in Miskolc (Ungarn) ein Werk zur Produktion von Drähten und dünnen Aufzug- und Kranseilen eröffnet worden. 2012 hatte das Unternehmen sein 125-jähriges Bestehen gefeiert. Um den Haustarifvertrag war damals zwischen Geschäftsleitung, Betriebsrat und Gewerkschaft hart gerungen worden.

 


 „Wir müssen uns jetzt erstmal sortieren“

 

An der Betriebsversammlung der Firma Gustav Wolf hat auch die Erste Bevollmächtigte der IG Metall Gütersloh-Oelde, Beate Kautzmann (Bild), teilgenommen. „Wir finden das natürlich nicht gut, weil Produktionsarbeitsplätze in Gütersloh verloren gehen“, sagte Kautzmann der „Glocke“. Damit gingen im Kreis Gütersloh auch Einnahmen verloren. Es sei die gleiche Entwicklung wie bei Miele.

„Wir gehen davon aus, dass es sich um eine Betriebsänderung handelt“, sagte die Gewerkschafterin. Insofern müsse über die Standortsicherung für den Rest der Belegschaft gesprochen werden. Die Stahlseilherstellung sei nicht betroffen.

Die Stimmung auf der Betriebsversammlung sei verhalten gewesen, sagte Kautzmann. Die Mitarbeiter hätten damit nicht gerechnet, es habe aber keinen Aufschrei gegeben. Mit den Kosten könne man alles begründen. „Das Problem kennen wir auch aus der Autoindustrie“, sagte die Gewerkschafterin. Sie habe mit dem Betriebsrat Roland Stiens gesprochen. „Wir müssen uns jetzt erstmal sortieren.“ Entlassungen könne es wegen des geltenden Tarifvertrags nicht geben.

 


 

Zahlen & Fakten

Gegründet: 1887 von Gustav Wolf (1861-1930) in Bielefeld. 1912 zog der Betrieb nach Gütersloh um. Die Seilfertigung für den Bergbau wurde ausgebaut.

Standorte: Die Gruppe betreibt Werke in Gütersloh, Nebra (Thüringen, seit 1991), Frankreich (Reichshoffen, seit 1995), Dubai (Joint Venture, seit 2004), China (Suzhou, Joint Venture seit 2005) und Ungarn (Miskolc, seit 2012). In Roßleben wurde 2010 ein Logistikzentrum eröffnet.

Umsatz: Die Gruppe macht einen Umsatz zwischen 130 und 135 Millionen Euro.

Mitarbeiter: In Service und Vertrieb sind fast 1000 Mitarbeiter beschäftigt, davon etwa 200 in Gütersloh.

Materialdurchsatz: Er betrug 2012 rund 80 000 Tonnen. (din)